4. Woche 21. - 27. Mai 2007

 

21. Mai 2007

 

Es geht nach “Foncebadon”.

 

 

 

Michael ist nicht gut drauf. Er geht langsam und ich verliere ihn. Die Hochebene ist übersät mit Lavendelbüschen und Ginster. Es leuchtet bunt. Nun geht es immer höher. In 100 Meter ein Bergdorf. In der restaurierten Kirche ist die Alberga.

 

 

Die Alberga wird von zwei Spaniener geleitet. Der Kohleofen ist kalt, ich will helfen, aber die Spanier lassen sich nicht reinreden. Es gibt Abendessen. Danach sofort ins Bett. Zum ersten Mal kann ich meinen schweren Schlafsack richtig gebrauchen.

 

 

 

22. Mai 2007

 

Ich gehe in den Sonnenaufgang. Es ist sehr kalt, dunkelblauer Himmel, es regnet nieselig.

 

 

 

Nach weiteren 100 Meter Steigung taucht vor mit das “Cruz de Ferro” auf. Ich werfe einen Sorgen-Stein zur Erinnerung auf den Hügel. Dabei denke ich an Karin. Sie hat heute Geburtstag und ich kann ihr nicht gratulieren. Das tut weh. Ich vermisse sie sehr. Über den Gipfeln fließen die Rinnsale jetzt in andere Richtung. Der Weg abwärts ist recht steinig, trotzdem bin ich schnell. Aber ein Schotte ist noch schneller. Seine Frau wartet am Fuß der Berge. Sie ist die Etappe mit dem Zug gefahren.

 

 

 

Die ersten Häuser tauchen auf. Sie sehen sehr ärmlich aus. Hier hausen die Hirten mit ihren Ziegenherden. Weiter unten werden die Dörfer richtig schmuck. Die Holzhäuser haben schöne geschnitzte Balkone. Unten angekommen hört der Regen auf und es wird warm.

 

 

 

In “Molinaseca” ist vor mir eine Bayerin. Sie humpelt in die Apotheke und ich helfe ihr zu einigem Pflaster. Ich lasse sie zurück, aber werde sie unter sehr emotionalen Umständen in der Kathedrale von “Santiago de Compostela” wiedersehen.

Ich habe Durst. Es gibt keinen Brunnen in “Otano”. Auf einer Bank sitzt eine alte Frau. Ich zeige auf meine leere Flasche. Sie bittet mich ins Haus und gibt mir Wasser. Ich möchte keinen Wein.

“Ponferrada” hat eine große Alberga mit großzügiger Küche. Im 10-Betten Zimmer gibt es auch ein Liebespaar. Er Tiroler ca. 55 Jahre alt und sie Dortmunderin etwa 45 Jahre alt. Sie müssen sich gerade kennengelernt haben. Einfach süß wie sie miteinander umgehen. Ich werde von Ihnen in der Küche zum Spagetti-Essen eingeladen.

 

 

 

23. Mai 2007

Um 6 Uhr früh gehe ich durch die halbdunkel und noch schlafende Stadt. An jedem Haus gibt es gelbe Pfeile oder Muscheln.     Prima, ich hole Matheo einen Italiener aus Solingen ein. Im Gartenland außerhalb der Stadt zeigt er mir den Knoblauch und die Paprikapflanzen. Alles was wir im Norden nicht kennen. Er sagt: “Sei mal still, ich höre eine Nachtigall, sie singt ihr Lied”. Wir bleiben 10 Minuten stehen, danach geht es durch hügeliges Land. Wir sehen Wein und Gemüse. Viele Frauen arbeiten hier.
 
Wir sind früh in “Villafrance del Bierzo”. Die Alberga ist geschlossen. Wir können die Rucksäcke einschließen und gehen in die Stadt. Dort gibt es eine Telefonzelle. Ich kann mit Karin sprechen. Sie ist gut gelaunt und ich glücklich, obwohl sie nicht allzu viel Verständnis für die Strapazen, die ich auf mich nehme, hat. Ich möchte mich bei Gott bedanken und fühle mich wie der verlorene Sohn aus der Bibel. Die Alberga ist bis auf die letzte Matraze belegt. Die Pilger liegen in den Gängen. 

 

 

 

24. Mai 2007

 

 

 

Es ist 6 Uhr. Ich bin wie immer im dunkeln durch die Stadt unterwegs. Ich nehme den “Camino Duro” und will die Straße meiden. Ich bin ziemlich alleine. Es sind 400 Höhenmeter auf kürzester Distanz. Ich kann mich, ohne mich zu bücken, am Weg abstützen. Ich bete laut, so kann ich meine Kraft am besten kontrollieren. Es ist eine einsame Bergwelt mit vielen Kastanienbäumen und es wird ein steiler Abstieg bis zur Straße.

Im nächsten Dorf gibt es einen Supermercato. Dort kaufe ich Obst und Tortilla. Ich mache eine Pause und esse bis auf die Bananen alles auf. Nach 2 km wird es richtig steinig-steil. Es ist ein jahrhundertalter Eselspfad. In einem Stück steigt er auf 800 Höhenmeter. Ich muß meine ganzen Reserveren mobilisieren. Oben angekommen bin ich völlig fertig. Die Alberga ist geschlossen. Sie wird renoviert und statt dessen stehen 2 Container dort mit je 32 Betten. Zur Toilette sind es 100 Meter. Ich könnte mich ohrfeigen, wäre ich doch ein Dorf vorher in die Alberga gegangen. Hier oben ist es bitterkalt. Nebelfetzen wehen um die Häuser von “O Cebreiro”. Ich gehe ein Pilgermenü essen. Wir sind in “Galizien”, ein reines Bauernland, grün bergig wie der Westerwald und sehr nebelig.

 

 

 

25. Mai 2007

 

Um 6 Uhr wird es laut im Container. Ich mache mir wie immer mit meinem kleinen Tauchsieder einen heißen Kaffee, dazu 2 Bananen und dann geht es los. 10 Meter Sicht - Ich taste mich zu jedem gelben Pfeil. Ein Hohlweg nimmt mich auf. Die Bäume neigen sich zu mir und ich habe das Gefühl sie wollen mit mir sprechen.

 

                                              

 

Plötzlich hinter mir ein Trampeln von 100 Beinen. Mich schaudert es, fange an zu phantasieren und bin froh das nach 4 Stunden der Nebel sich lichtet. Ich bin von gestern noch gezeichnet. Ich will schneller, aber es geht nicht. Dann plötzlich 3 dunkle Gestalten vor mir. Es sind Pilger, Gott sei Dank, nun bin ich nicht mehr alleine. Es waren Spanier, die mich sicher durch die Kuhherde leiten, indem sie einfach die Hörner anfassten, sodaß die Kühe den Weg freimachten. Einfach unglaublich, ich hätte alleine die größten Probleme gehabt durchzukommen. Alles ist naß und wir patschen durch Kuhfladen.

 

                                            

 

 

Die Dörfer in Galizien sind of schmutzig, aber ein Auto steht vor der Tür. Wir sind mal wieder die ersten in “Triacastela”. Dort gibt es eine fast neue Alberga. Sie ist noch zu und wir gehen in die nächste Bar. Erstmal Kaffeetrinken und für die nächsten Tage  einkaufen. Es steht Pfingsten vor der Tür. Wir haben ein 4-Bett Zimmer erwischt - komfortabel. Wir gehen noch ins Dorf, dort gibt es eine Messe in der Pilgerkirche nur für uns. Der Pfarrer ruft einige Nationen auf. Bei Deutsch hebe ich die Hand und darf für die Deutschen sprechen. Ich bin sehr ergriffen.

Ich habe mich erkältet und muß Nachts 6 mal raus. Die Blase macht Probleme.

 

 

 

26. Mai 2007 Pfingsten

 

 

 

Ich verlasse “Triacastela” früh um 6 Uhr. Es geht ständig hoch bis zum Pass von “Alto de Riocabo”. Die Etappe ist nur kurz - 17 km. Ich komme um 11 Uhr in “Sarria” an. Es beginnt zu regnen. Da die Alberga noch geschlossen ist, flüchte ich zur Kirche. Auch geschlossen. Durch Zufall entdeckt mit der Küster und öffnet das Portal für mich. Nun bin ich im Trockenen. In der Pfingstmesse sehe ich nur alte Menschen.

In der Alberga bekomme ich ein Bett und kann mir in der gemütlichen Küche Nudeln kochen. Die restlichen Töpfe hat Gisela in Beschlag. Wir kommen ins Gespräch. Sie wohnt in Alicante und ist mit Pepe auf Pilgerreise. Gisela  malt wie meine Tochter Sonja Engelbilder. Ich gebe ihr die Anschrift von Sonja.

 

 

 

27. Mai 2007

Ich bin froh “Sarria” verlassen zu können. Die Stadt ist wohl dem Kommerz verfallen. Unterwegs gibt es viele Bauernhöfe mit Viehwirtschaft. Danach sehen auch die Straßen aus. Vollgeschissen mit dem entsprechenden Odeur. Die Wege sind gesäumt von Ginster, Heidekraut und Reihen von Fingerhut. Es geht steil bergab. Unten angekommen gibt es eine Bar. Ich brauche jetzt einen heißen Kaffee. Die Wirtin wohl über 70 Jahre alt bedient mich.

 

 

Sie ist mir sehr sympathisch. So frage ich sie, so aus dem Stehgreif nach “Tortilla de Patata”. Obwohl es in der Bar außer Wein, Bier und Kaffee nichts zu geben scheint, lächelt sie mich an und sagt “Uno Momento”, verschwindet für ein paar Minuten und erscheint wieder mit einer leckeren, fetttriefenden, heißen Tortilla. Ich bin überwältig, welch liebe Menschen es hier gibt.

In “Portomarin” einer schönen Stadt hole ich am Bankautomaten Geld. Meine Scheckkarte kommt nicht heraus und ein spanischer Pilger hilft mir aus der Misere. Die Stadt wird von ca. 500 Pilgern belagert. In der Alberga gibt es 4 Zimmer mit je 90 Betten, prima Duschen und eine große Küche.

Ich sitze auf der Kirchentreppe und lasse mich von der Sonne bescheinen. Nach der Messe rufe ich Karin meinen Schatz an und  erzähle ihr, das ich erkältet bin. Sie meint, ich sollte einen Cognac trinken.

 

 

 

 

Kurz darauf sucht ein Franzose 10 Personen für eine “Cemada Fete”. Für “Cemada” braucht man 2 Liter 80%igen Alkohol. Der kommt in einen Keramiktopf, dazu 500 gr. Zucker, rühren und anzünden, ähnlich unserer Feuerzangenbowle. Wir trinken aus kleinen Keramikbechern. Die Franzosen und Spanier singen. Es wird eine prima Fete, die bis kurz nach 23 Uhr dauert. Wir kommen zur Alberga und die Tür ist abgeschlossen. Was nun tun? 10 Minuten beratschlagen wir und trommeln gegen die Scheiben. Ein Italiener hört uns und schließt auf. Da haben wir nochmal Glück gehabt. Ich falle ins Bett und wache mit einem Brummschädel auf!

 

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