2. Woche 7. - 13. Mai 2007

 

7. Mai 2007

 

 

 

Unausgeschlafen suche ich am Morgen meine Kamera. Ob ich sie draußen liegengelassen habe? Auf dem Tisch ist sie nicht mehr. Ich hoffe auf den Hausmeister. Der kommt aber nicht. Jemand gibt mir den Tipp im Schreibtisch nachzusehen. Siehe da - es stimmte. Nun kann es, obwohl schon spät, weitergehen. Es geht über die historische schöne Brücke zur Stadt hinaus, wieder durch buntgrünes Gartenland.

 

 

 

In der Herberge von “Estella/Lizarra” angekommen schmerzt mein Knie. Ich kaufe Salbe und hoffe das der Schmerz vorüber geht. Ich frage mich, warum mache ich das? Wozu tue ich mir das an? Es fällt mir ein, als meine Patenkinder zur Kommunion gingen, hatte ich den Hinweis von Gott erhalten beichten zu gehen um zu ihm zurückzukehren. Diese Pilgerreise machte ich aus Dankbarkeit, das mir Gott dieses Zeichen gesandt hat. Diese Nacht schlafe ich wie ein Murmeltier.

 

 

 

8. Mai 2007

 

 

Morgens schmerzt mein Knie. Ich entschliesse mich die halbe Strecke nach “Logrono” mit dem Bus zu fahren. Ich fahre bis “Los Arkos”. Ich möchte in die schöne Kirche, aber sie wird erst um 8 Uhr geöffnet. Nun gehe ich bis “Logrono” durch.

 

 

 

 

Ich bekomme dort in der Herberge nur noch eine Matraze unter dem Dach. Es ist eng. Ich gehe mit zwei Engländern und zwei Spaniern ein Pilgermenü essen. Es wird lustig. Zurück im Patio der Herberge ist eine Fiesta.

 

 

Eine Gruppe Spanier singt. Sie werden begleitet von Gitarren und es gibt Riojawein. 22 Uhr ist Schluß wir müssen ins Bett.

 

 

 

9. Mai 2007

Frühmorgens geht es durch die ganze Stadt. Die gelben Pfeile fehlen und nun habe ich mich verlaufen. Mit einem Iren, der mir nachgelaufen ist, gehe ich nun 4 km über die Autobahn bis zur Tankstelle. Dort zeigt uns die Polizei den richtigen Weg. Wir laufen nun stundenlang an Weinbergen entlang. Die Bauern spritzen eifrig Sulfide auf die Reben. Ich bekomme Asthma. Der Weg wird nun ganz trist für uns. 8 km parallel zur Autobahn müssen wir nun laufen. Vor mir ist ein Amerikaner aus New York. Er singt laute Arien. Auf meine Frage “Warum?” antwortete er, er wäre Musicalsänger und dieser miserable Weg kann nur mit Gesang überwunden werden.

 

 

 

 

Also singen wir 2 Stunden WestSideStory und alles was er gelernt hat. Er war der schönste triste Weg der Pilgerreise. Es sollte heute bis “Najera” gehen. Die Herberge öffnete erst ab 15 Uhr. Es sind noch 2 Stunden bis zur Öffnung und es warten schon 100 Pilger auf Einlaß. Ich entschließe mich noch bis zur nächsten Herberge “Azofra” zu gehen. Leider hatte ich die Mittagshitze unterschätzt. In “Azofra” war ich stehend KO. Die Herberge war neu. Es gab ein 2-Bett Zimmer, Prima.

 

 

 

10. Mai 2007

Am Morgen wandern wir über “Belorado” nach “Granon”.

 

 

 

 

Viele Störche haben sich auf Kaminen und Lampenmasten ein Nest gebaut. Man sieht wie sie ihre Jungen füttern. Ich bin erster in der Herberge. Sie ist oben in der Kirche. Die Herbergsmutter zeigt mir die Räume bis zum Glockenturm mit den Störchen. Über dem Chor steht die Waschmaschine. Es gibt Leinen zum trocknen. Sensationell.
 
In den beiden Schlafsälen liegen wir Matte an Matte. Es gibt Abendessen und Frühstück für 12 Euro. Die Pilgermesse ist morgens um 7 Uhr. Neben mir schläft ein Amerikaner. Er schnarcht 20 cm von meinem Ohr entfernt. An Schlaf ist nicht zu denken. Also packe ich meinen Schlafsack und ziehe in den zweiten Saal. Dort stehen alle und tuscheln, keiner schläft. Ich höre einen Pfeifton. Der älteste Pilger trägt ein Hörgerät. Er hat es nicht ausgeschaltet. Es traut sich keiner ihn zu wecken. Endlich ein Spanier ist mutig und zieht den Pilger an den Beinen hoch. Er schüttet ihn bis er wach wird. Dieser fragt, was den wohl sei. Unsere Antwort “Dein Hörrohr” - Antwort “Ach ja, ist noch an” - Schaltet es aus und alle können friedlich schlafen.

 

 

 

11. Mai 2007

Nach dem Frühstück bin ich mal wieder der Erste. Ich gehe dem wunderbarsten Sonnenaufgang meines Lebens entgegen. Faszinierend. Hinter den Bergen geht die Sonne auf und bildet einen scharfen Grat. Der Himmel färbt sich blauviolett, unwirklich schön. Nach 3 km keine gelben Pfeile mehr. Ich habe mich verlaufen und muß wieder zurück. Ich bereue es aber nicht. Es war unvergeßlich.

 

 

 

 

 

 

Es geht durch die letzten Weinberge der “Reioja-Region” und durch das Städtchen “Belorado”. Wieder mit vielen Störchen auf den Kirchtümern. Ich mag den Betrieb in den Städten nicht. Also schnell durch. Das Gelände steigt an. Es wird wieder beschwerlich. Ich habe Durst und kein Wasser. Im nächsten Dorf gehe in die Bar. Dort gibt es einen Kaffee con Leche und ein Wasser. Nebenbei frage ich nach einer “Alberga”. Kaum hatte ich das Wort ausgesprochen, hat der Wirt das Handy am Ohr und ich ein Bett.
 
Die Alberga ist das uralte Fachwerkhaus von Pepe. Ein Witwer, der das Obergeschoß mit 12 Betten und Toilette plus Bad ausgerichtet hat. Unten hat er die Schränke voll mit antiken Soldaten und gesammelten Dolchen. Er ist wohl ein Fan von Franko. Pepe kocht selber. Es gibt Paella und zum Nachtisch meinen Lieblingspudding Vanille. Und das mit Frühstück für 12 Euro.

 

 

 

12. Mai 2007

Pepe verabschiedet uns mit Handschlag. Er sagt uns noch, es geht hoch, es wird hart. Wir schauen noch mal zurück.

“Espinosa del Camino” ist nur noch von alten Menschen bewohnt. Der halbe Ort besteht aus Ruinen, in denen Schwalben ihre Nester gebaut haben.
 
In “Villafranca” verlassen wir das Farmland. Es geht steil in die “Ocaberge”. Sofort bläst ein kalter Wind auf der Hochebene. Eichen säumen die Schneise und Blätter fliegen uns um die Ohren.

 

 

 

Nach drei Stunden taucht das “Kloster San Juan de Ortega” auf. Leider keine Messe, aber dafür in der Bar eine Pause. Die Italiener sind auch schon da, da gab es wohl ein Taxi. In “Ages” laufen wir abwärts. Die Berge liegen hinter uns. Vor uns sehen wir “Atapuerca”. Dort fand man menschliche Knochen aus der Steinzeit. Die Alberga macht erst um 15 Uhr auf. Ich treffe Kuno aus Baden. Er will weiter und ich gehe mit. Es geht wieder hoch über die Berge. Am Ende der Hochebene sehen wir im Dunst in der Ferne “Burgos” liegen - unser Ziel.

 

Unten trifft uns der Sturm sehr hart. Wir sind schon 40 km auf den Beinen. Im Industriegebiet von “Burgos” sehen wir die Italiener fröhlich winkend vor uns. Mit letzter Kraft schaffen wir es bis zum Stadtbus, der uns fast bis zur Alberga bringt. Wir bekommen eins der 96 Betten im Raum. Es gibt zwei Toiletten und zwei Duschen - eine Katastrophe. Da wir vollkommen KO sind, können wir auch mit 96 Personen im Raum gut schlafen.

 

 

 

13. Mai 2007

 

 

 

 

 

Morgens sehe ich am schwarzen Brett “9.30 Uhr Messe”. Da muß ich hin. Eine evangelische Krankenschwester interessiert sich auch. Wir gehen los. Sie humpelt, ihr sind alle Zehennägel rausoperiert worden. Egal, es sind ja nur 10 Minuten bis dort hin. Die Messe wird in einem riesigen Nonnenkloster zelebriert. Wir werden von einem Sicherheitsmann empfangen. Er schließt unsere Rucksäcke ein und führt uns durch endlose Gänge und Hallen zum Messeraum. Wir sind begeistert. Links von uns 20 Nonnen im Gegengesang. Wir sind die einzigen Besucher. Ich weiß, daß werden wir nie wieder erleben können.

 

Anschließend besuche ich die “Kathedrale von Burgos”. Der Grundriß ist von zwei Kölner Baumeistern gelegt worden. Hier fühle ich mich fast zu Hause. Gotischer Baustil, hoch, hell, schöne große Fenster. Nicht das was ich von Spanien erwartet habe, der schreckliche spanische Barock.

 

 

 

                                  

 

 

Es ist Mittag, ich gehe noch 10 km bis “Tardajos” in die kleine Alberga. Sie hat 12 Betten und 4 Toiletten, Duschen. Jette aus Soest schläft unten. Sie schnarcht wie ein Walross. Sie hat eine Pulle Roten intus. Ihre Brille hat sie vor das Bett gelegt, die ich morgens beim runtersteigen zertrete. Fünf Minuten später fällt meine Brille runter und zerbricht in zwei Teile. Zum Glück habe ich noch meine Sonnenbrille.

 

                                                                                                                                                                   nach oben